Petrarca

Petrarca
Petrạrca,
 
Francesco, italienischer Humanist und Dichter, * Arezzo 20. 7. 1304, ✝ Arquà (heute Arquà Petrarca, Provinz Padua) 18. 7. 1374. Petrarca war der Sohn eines Florentiner Notars, der 1302, wahrscheinlich aufgrund persönlicher Konflikte, aus Florenz verbannt worden war. Die Familie übersiedelte 1310 nach Pisa und 1311 nach Avignon. Petrarca studierte ab 1316 die Rechte in Montpellier, ab 1320 in Bologna. Nach dem Tod des Vaters kehrte Petrarca nach Avignon zurück und trat 1326 in den geistlichen Stand. Am 6. 4. 1327 (Karfreitag) kam es in der Kirche der heiligen Klara in Avignon zur ersten Begegnung mit Laura, jener nicht eindeutig biographisch oder historisch fixierbaren Frauengestalt, die im Zentrum seiner Lyrik steht. Nach seinen Angaben starb sie am 6. 4. 1348. Im Sommer 1330 hielt sich Petrarca bei seinem Freund Giacomo Colonna, Bischof von Lombez, auf; dann lebte er wieder in Avignon, bis 1347 im Dienst des Kardinals Giovanni Colonna, von 1337 an zog er sich oft auf sein Landgut in Vaucluse bei Avignon zurück. Im Sommer 1333 unternahm er eine Bibliothekenreise nach Frankreich, Flandern und ins Rheinland; in Paris las er die »Bekenntnisse« des heiligen Augustinus. Am 8. 4. 1341 wurde er auf dem Kapitol in Rom zum Dichter gekrönt. 1341-45 besuchte er verschiedene italienische Städte, entdeckte dabei in Verona die Handschrift von Ciceros Briefen an Atticus, Quintus und Brutus. 1347 begeisterte er sich vorübergehend für den römischen Volkstribunen C. di Rienzo, in dem er den Erneuerer der Größe des republikanischen Rom sah, und überwarf sich deswegen mit Kardinal Colonna. 1353 verließ Petrarca Avignon für immer. 1353-61 stand er im Dienste der Visconti in Mailand und reiste u. a. 1356 als deren Gesandter zu Kaiser Karl IV. nach Prag. 1362-68 lebte er in Venedig, darauf in Padua und auf seinem kleinen Landgut in Arquà.
 
Die Zeitgenossen sahen in Petrarca v. a. den Humanisten, der als einer der Ersten nach antiken Handschriften forschte und um deren Verbreitung bemüht war. Petrarcas Leistung als Textkritiker und Herausgeber begründete den neuen, philologischen Zugang zur antiken Überlieferung und damit zugleich die Ablehnung der mittelalterlichen Latinität. Petrarca selbst ging mit seiner an Cicero ausgerichteten lateinischen Prosa beispielgebend voran: Seine Korrespondenz fasste er selbst zusammen, u. a. in den 24 Büchern der »Epistolae familiares« (begonnen zwischen 1351 und 1353, abgeschlossen 1366, gedruckt 1492; deutschsprachige Auswahl unter dem Titel »Briefe«) und in den 17 Büchern der »Epistolae seniles« (begonnen nach 1361, gedruckt 1501); die »Epistolae variae« wurden postum von seinen Freunden zusammengestellt (gedruckt 1501). Bedeutend ist v. a. sein autobiographischer Brief »Posteritati« (entstanden um 1370, unvollendet gedruckt 1496; deutsch »Brief an die Nachwelt«). Aufschluss über Petrarcas Persönlichkeit geben insbesondere die in Versen verfassten Briefe »Epistolae metricae« (entstanden 1333-54, gedruckt 1501; deutsch »Poetische Briefe«). Mit seinem Epos »Africa« (begonnen 1338, unvollendet gedruckt 1496), in dem er, die Gestalt des älteren Scipio in den Mittelpunkt stellend, die römische Republik verherrlichte, wollte Petrarca das antike Epos erneuern. Das Prosawerk »De viris illustribus« (entstanden 1338 bis nach 1351, herausgegeben 1874-79 in 2 Bänden unter dem Titel »Le vite degli uomini illustri. ..«, italienisch und lateinisch) stellt die Geschichte Roms in Biographien von Romulus bis Kaiser Titus dar (unvollendet; bis Caesar). Von Petrarcas weiteren lateinischen Prosawerken sind u. a. Bekenntnisschriften zu nennen (»Secretum meum«, auch »De contemptu mundi«, entstanden 1342/43, überarbeitet zwischen 1353 und 1358, gedruckt 1470; deutsch »Gespräche über die Weltverachtung«), drei fiktive Dialoge zwischen dem Dichter und dem heiligen Augustinus, in dem Petrarca in mittelalterlichem Geist wegen seiner weltlichen Neigungen mit sich zu Gericht geht. Petrarcas Schwanken zwischen Weltlichkeit und Askese ist das Thema seiner 12 allegorischen Eklogen (»Bucolicum carmen«, entstanden 1346-48, 1357, 1359 und 1364 überarbeitet, gedruckt 1473). Die Ruhe klösterlichen Lebens preist er in den mystisch-asketischen Schriften »De otio religioso« (entstanden 1347, gedruckt 1501) und »De vita solitaria« (entstanden 1346-56, gedruckt um 1473). Das in Form (Frage-und-Antwort-Spiel) und Inhalt am stärksten von mittelalterlichem Geist erfüllte Trostbüchlein »De remediis utriusque fortunae« (entstanden 1354-66, gedruckt 1468; deutsch »Von der Artzney bayder Glück - des guten und widerwertigen«, auch unter dem Titel »Heilmittel gegen Glück und Unglück«), eine Anleitung zum glücklichen Leben, verbindet christliche Gläubigkeit mit stoischen, aus Cicero und Seneca dem Jüngeren geschöpften Gedanken. Es war im 14. und 15. Jahrhundert Petrarcas bekanntestes Werk. In kleineren Schriften polemisierte Petrarca gegen Scholastik und averroistische Philosophie und trat für den Wert der Dichtung und der Philosophie gegenüber den Naturwissenschaften, besonders der Medizin, ein.
 
Petrarcas Werk in italienischer Sprache umfasst lyrische Gedichte und eine allegorische Dichtung. In der Lyrik fußt er formal und inhaltlich auf den Traditionen des provenzalischen Minnesangs und des Dolce stil nuovo, hebt deren Strenge jedoch durch den persönlichen Ton auf. Die im Verlauf vieler Jahre entstandenen Gedichte fasste Petrarca selbst in einer mehrfach umgestalteten Sammlung zusammen, heute unter dem Titel »Il canzoniere« (Liederbuch; herausgegeben 1470, deutsch »Italienische Gedichte«, auch unter dem Titel »Canzoniere«) bekannt, deren letzte Fassung (Vatikanischer Codex 3195) 317 Sonette, 29 Kanzonen, neun Sestinen, sieben Balladen und vier Madrigale umfasst. Diese Formen wurden für die italienische Lyrik kanonisch. Der »Canzoniere« gliedert sich in zwei Teile: 263 an die lebende und 103 an die verstorbene Laura gerichtete Gedichte. Ihrer moralischen Belehrung wegen war die Terzinen-Dichtung »Triumphi« (entstanden zwischen 1357 und 1374, gedruckt 1470; deutsch »Sechs Triumphe«), in der sechs allegorische Figuren (Begierde, Scham, Tod, Ruhm, Zeit, Ewigkeit) an dem Dichter vorüberziehen, im 15. und 16. Jahrhundert Petrarcas beliebtestes Werk.
 
Ausgaben: Le rime, herausgegeben von G. Carducci u. a. (1899, Nachdruck 1984); Edizione nazionale delle opere, auf zahlreiche Bände berechnet (1926 ff.); Opere, herausgegeben von G. Ponte (1968); Poesie latine, herausgegeben von G. Martellotti (1976).
 
Das lyrische Werk: Der Canzoniere. Die Triumphe. Nugellae, übersetzt von B. Geiger (1958); Dichtung und Prosa, übersetzt und herausgegeben von H. Heintze (1968); Sonette und Kanzonen, herausgegeben von demselben (1974; italienisch und deutsch); Dichtungen, Briefe, Schriften, herausgegeben von H. W. Eppelsheimer (31985); Canzoniere, übersetzt von G. Gabor und E.-J. Dreyer (21990; italienisch und deutsch).
 
 
G. Billanovich: P. letterato (Rom 1947);
 K. Heitmann: Fortuna u. Virtus. Eine Studie zu P.s Lebensweisheit (1958);
 E. H. Wilkins: Life of Petrarch (Chicago, Ill., 1961);
 A. Tripet: Pétrarque ou la connaissance de soi (Genf 1967);
 
P. 1304-1374. Beitr. zu Werk u. Wirkung, hg. v. F. Schalk (1975);
 
P., hg. v. A. Buck (1976);
 U. Bosco: F. P. (Bari 41977);
 U. Dotti: P. e la scoperta della coscienza moderna (Mailand 1978);
 U. Dotti: Vita di P. (Rom 1987);
 C. Trinkaus: The poet as philosopher. Petrarch and the formation of Renaissance consciousness (New Haven, Conn., 1979);
 
Quaderni petrarcheschi (Pisa 1983 ff., früher unter anderen Titeln);
 
Saggio critico sul P., hg. v. N. Gallo (Turin 1983);
 K. Foster: Petrarch. Poet and humanist (Edinburgh 1984);
 R. Caputo: Cogitans fingo. P. tra »Secretum« e »Canzoniere« (Rom 1987);
 G. Orelli: Il suono dei sospiri. Sul P. volgare (Turin 1990);
 G. Hoffmeister: P. (1997).
 

Universal-Lexikon. 2012.

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